Allgemein
Bahnausbau / Baustelle
Begriffe / Abkürzungen
Adressen / Links

A
Übersicht
(Aktuelle) Presseberichte
A
Berichte
2002
... Fall für die Justiz
Neuer Zeitplan für Bau ...
„... Rechtsbeugung“
Schmiergeldsumpf: ...
2001
Minister unterstützt Lärmschutz
Für mehr Lärmschutz ...
2000
„Tricksereien - Manipulationen“
Milliardengrab Deutsche Bahn
Der Umbau der Bahn
Wiesheus Trick verteuert Ausbau
ICE-Strecke teurer
Fahrplan für ICE-Ausbau
Der „innere Konflikt“ des EBA
Hat der Lärmschutz noch ...
Kosten contra Gesundheitsschutz

Süddeutsche Zeitung vom 28.10.2000 Bayern





Wie der Verkehrsminister den Baubeginn der ICE-Strecke Nürnberg – Ingolstadt – München erzwang

Wiesheus Trick kommt die Bahn teuer zu stehen
Mit Förderprogramm für den Münchner Nahverkehr die Grünen ausgespielt / Nun verschwinden Milliarden im Tunnel / Von Klaus Ott

München – Bayerns Verkehrsminister Otto Wiesheu hatte vor der Bundestagswahl im September 1998 nach eigenem Bekunden ein „komisches Gefühl“. Der CSU-Politiker glaubte nicht mehr so recht an einen Sieg der Union gegen die SPD und die Grünen und fürchtete deshalb um eines seiner Lieblingsprojekte, den Bau einer Hochgeschwindigkeitsstrecke für den ICE von München über Ingolstadt nach Nürnberg. Bei einem Regierungswechsel, das war klar, würden die Grünen alles daran setzen, dieses Vorhaben zu stoppen. Die Öko-Partei wollte mit den Milliardenbeträgen, die für den Bau der teuren ICE-Trasse vorgesehen waren, lieber das bestehende Schienennetz sanieren.

----Doch Wiesheu gelang es, die Grünen auszutricksen. Der Verkehrsminister setzte das Staatsunternehmen Deutsche Bahn (DB) mächtig unter Druck. Er machte ein Förderprogramm seines Ministeriums für die Münchner S-Bahn in Höhe von 520 Millionen Mark davon abhängig, dass die DB die Bauaufträge für die ICE-Strecke noch vor der Bundestagswahl erteilte. So geschah es dann auch. Die rot-grüne Bundesregierung habe „nichts mehr rückgängig machen können“, erzählte der CSU-Politiker kürzlich stolz bei einer kleinen Feier in München, bei der Bayerns neuer Bahnchef in sein Amt eingeführt wurde.

„Politisch geschönte Zahlen“

----Inzwischen dürfte Wiesheu nicht mehr so viel Grund haben, sich über sein Verhandlungsgeschick zu freuen. Die Bahn hat auf Anordnung ihres Vorstandschefs Hartmut Mehdorn noch einmal nachgerechnet, was die ICE-Trasse wohl kosten dürfte. Und siehe da, es wird alles viel teurer. Das hatte vor vier Jahren bereits der Bundesrechungshof prophezeit, nun bekommt er nachträglich Recht. Im schlimmsten Fall muss die DB für den Ausbau der Strecke von München nach Ingolstadt und den Neubau des Abschnitts Ingolstadt – Nürnberg eine Milliarde Mark mehr veranschlagen. Ursprünglich waren Baukosten in Höhe von 3,8 Milliarden Mark kalkuliert.

----„Wir haben diesen Betrag immer für politisch geschönt gehalten“, sagt Albert Schmidt, Verkehrsexperte der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen. Der Ingolstädter Abgeordnete weist auf zusätzliche Risiken hin. Der Bau der Strecke wird per Kredit finanziert, Bund und Bahn wollen die Darlehen 15 Jahre lang abstottern. Die bislang veranschlagten Baukosten von 3,8 Milliarden Mark ergeben samt Zins und Zinseszins dann einen Gesamtbetrag von knapp zehn Milliarden Mark: „Wenn eventuelle Kostensteigerungen bis zu einer Milliarde Mark beim Bau wieder privat finanziert werden, dann würde sich dieser Betrag am Ende mindestens verdoppeln.“

----Aus der einen Milliarde könnten letzten Endes also leicht zwei bis drei Milliarden Mark werden. Dieser Betrag fehlt dann bei der Sanierung des bestehenden Schienennetzes. Für die Reparatur ihrer vielen maroden Strecken hat die Bahn schon jetzt nicht genug Geld, trotz der so genannten UMTS-Mittel, die der Bund für die Bahn locker macht. Auch damit werde nicht die vom Bund versprochene Finanzhilfe von 9,4 Milliarden Mark pro Jahr für das Schienennetz erreicht, klagt Bahnchef Mehdorn.

----Die Folgen sind in ganz Bayern zu sehen. Auf vielen Nebenstrecken wie der niederbayerischen Rottalbahn fahren die Züge nur noch im Bummeltempo. Auch auf Hauptlinien gibt es wegen verschlissener Gleise und Weichen immer mehr Langsam-Fahrstellen, wie das im Bahnjargon heißt. Die ICE-Strecke von München nach Nürnberg muss dagegen fertig gebaut werden, für einen Stopp des Projekts ist es im Gegensatz zur Hochgeschwindigkeitstrasse von Nürnberg nach Erfurt längst zu spät. Diese Trasse durch den Thüringer Wald, die Wiesheu noch immer haben will, würde sogar weit teurer kommen.

----Die Bahn untersucht nun, wo bei der Strecke München – Nürnberg gespart werden kann, damit die Ausgaben nicht zu sehr steigen. Beim Neubauabschnitt zwischen Ingolstadt und Nürnberg lassen sich die Kosten aber kaum senken. Viele Tunnels mit einer Gesamtlänge von fast 30 Kilometer sind notwendig, damit der ICE mit bis zu 300 Stundenkilometern in die Frankenmetropole rasen kann. Für solche Tunnelstrecken hat das Eisenbahn-Bundesamt, das den Bahnverkehr beaufsichtigt, neue Sicherheitsvorschriften erarbeitet. Und die müssen nun einmal eingehalten werden.

Der Rechnungshof hat Recht

----Dafür setzt die Bahn zwischen München und Ingolstadt, wo die bestehende Trasse für den ICE ausgebaut wird, den Rotstift an. Vor allem beim Lärmschutz für die Anwohner geizt die DB. Die sieben Bahngemeinden im Landkreis Pfaffenhofen verklagen deshalb gemeinsam das Staatsunternehmen. Die Bahn soll dazu verurteilt werden, Schallschutzwände und andere Maßnahmen zu bezahlen. Lange Gerichtsverfahren könnten den Ausbau der Trasse weiter verzögern.

----Der ursprüngliche Termin für die Inbetriebnahme der ICE-Strecke, der Fahrplanwechsel im Dezember 2003, ist ohnehin nicht mehr einzuhalten. Zwischen München und Ingolstadt hat die Bahn bestimmte Bauvorhaben, die im nächsten Jahr begonnen werden sollten, bereits verschoben. Nach Angaben der Stadt Pfaffenhofen an der Ilm sollen in ihrem Bereich einzelne Abschnitte nunmehr erst im Oktober 2004 fertig sein. Doch auch dieser Termin sei nicht sicher.

----Bestätigt fühlen darf sich jetzt der Bundesrechnungshof. Der hatte bereits im Mai 1996 vor den „hohen finanziellen Risiken“ dieser ICE-Strecke gewarnt und empfohlen, lieber die Trasse von München über Augsburg nach Nürnberg auszubauen. Das käme weit billiger. Doch auf den Rechnungshof wollte Wiesheu einfach nicht hören.


Bildunterschrift: In den Tunnels der ICE-Strecke München – Nürnberg versickern Milliarden – die Gesamtkosten des Projekts steigen unaufhaltsam.
Impressum
nach oben