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Schmiergeldsumpf: Wie die Bahn Korruption fördert

Bericht: Georg Restle, Alexander Schmitt
Nicht müde wird die deutsche Bahn, sich als Speerspitze der Korruptionsbekämpfung darzustellen. Doch MONITOR-Recherchen ergeben ein ganz anderes Bild. An allen Ecken und Enden wird bestochen und begünstigt. Dabei sind regelrechte Netzwerke der Korruption entstanden. Allein 35 Ermittlungsverfahren gibt es derzeit im Bundesgebiet. Ein Bundesrechnungshofbericht, der MONITOR vorliegt, brachte jetzt auch den Grund zutage: die Bahn selbst fördert die Korruption und die Politik schaut weg.




MONITOR Nr. 490 am 16.05.2002




Sonia Mikich: "Unser nächstes Thema. Wenig bekannt: überall in Deutschland ermitteln Staatsanwälte gegen Angestellte der Deutschen Bahn. Wegen Bestechung und Vorteilsnahme. Gleichzeitig rühmt sich die Bahn selbst, mit allen Mitteln gegen Korruption in den eigenen Reihen vorzugehen.

Ein neuer Bericht des Bundesrechnungshofs belegt jetzt das Gegenteil. Und: das Bundesverkehrsministerium schaut tatenlos zu. Wir nicht."




Gerichtstermin in Halle vor wenigen Wochen: Abgeurteilt wird einer der spektakulärsten Korruptionsfälle der letzten Jahre: Angeklagt: Ein 53-jähriger Bahn-Oberrat, der über acht Jahre Bestechungsgelder für Aufträge der Deutschen Bahn kassiert hatte. Viereinhalb Jahre lautete das Urteil für den Bahnmitarbeiter.

Um diese Bahnstrecke ging es: Der Verkehrsknotenpunkt Gröbers bei Halle, eine der Großbaustellen der Bahn. Milliarden an Steuermitteln werden hier verbuddelt. Rund sechs Millionen Mark sollte der Bahn-Oberrat laut Staatsanwaltschaft an Bestechungsgeld kassiert haben. Dafür lieferte er den Bauunternehmen vertrauliche Informationen über die Angebote der Konkurrenz, so dass diese ihre Unterlagen entsprechend anpassen konnten. Dabei konnte der Bahn-Mitarbeiter offenbar schalten und walten, wie er wollte.

Folker Bittmann, Staatsanwaltschaft Halle: "Der Bahn-Oberrat war für die Planung zuständig. Er war in die Vergabe-Entscheidungen eingebunden und hatte auch Aufgaben im Kontrollbereich. Eine derartige Zuständigkeitskonzentration ist nach aller Erfahrung korruptionsfördernd. Insoweit muss man der Bahn objektiv ein Mitverschulden an diesen Straftaten anlasten."

Korruption leicht gemacht. Dies galt auch für andere Fälle: Die weiteren Ermittlungen führten direkt in die Chefetage eines Tochterunternehmens der Deutschen Bahn, die DB Projekt Verkehrsbau in Leipzig, verantwortlich auch für die Überprüfung von Bau-Aufträgen.

Der ehemalige Leiter des Projektzentrums ist Peter D. Vor wenigen Monaten wurde auch er festgenommen. Der Vorwurf: Bestechlichkeit und Erpressung.

Für Bau-Aufträge auf dieser ICE-Trasse bei Chemnitz soll der Bahn-Manager rund 700.000 Mark von einem Unternehmen verlangt haben. Ansonsten hätte es keine weiteren Bau-Aufträge gegeben. Peter D. weist die Vorwürfe zurück, doch noch laufen die Ermittlungen, und brachten die Staatsanwaltschaft auf die Spur eines bundesweiten Schmiergeldrings.

Nach MONITOR-Recherchen sollen die Fäden des Korruptionsskandals hier mitten im Berliner Stadtteil Friedrichsfelde zusammengelaufen sein. In der Firma Trans-Innova, dies bestätigte die Staatsanwaltschaft Halle gegenüber MONITOR, sollen bundesweit Schmiergeldzahlungen für Projekte der Bahn organisiert worden sein, von einer regelrechten Schmiergeldagentur ist sogar die Rede.

Bei einer Durchsuchung beschlagnahmten die Ermittler Ende letzten Jahres zahlreiche Unterlagen über bundesweite Vergabevorgänge der Deutschen Bahn. Darin soll detailliert geregelt worden sein, welches Bauunternehmen bei welchem Auftrag der Bahn zum Zuge kommen sollte. Doch der Hauptbeschuldigte weist jeden Verdacht von sich:

Nach MONITOR-Recherchen handelt sich um den 64-jährigen Berliner Unternehmer Siegfried K, ehemaliger Fregattenenkapitän der NVA und Mitglied im Wirtschaftsrat der CDU. Er soll die bundesweiten Schmiergeldzahlungen organisiert haben.

Hier in der Berliner Zentrale der DB Projekt Verkehrsbau soll der Unternehmer ein und ausgegangen sein – und Helfershelfer gehabt haben. Der Verdacht reicht bis weit hinein in die Führung des Managements des Bahn-Unternehmens – und ist doch nur ein Fall unter vielen.

Im ganzen Bundesgebiet ermitteln Staatsanwälte zur Zeit wegen Bestechlichkeit und Vorteilsannahme rund um den ehemaligen Staatskonzern, in fast jedem Bundesland stehen Bauunternehmer oder Bahnmitarbeiter mittlerweile unter Verdacht: Insgesamt 35 Ermittlungsverfahren.

In der Berliner DB-Konzernzentrale rühmt man sich, zur Aufklärung der Fälle wesentlich mit beigetragen zu haben. Sogar ein Anti-Korruptionsprogramm wurde aufgelegt – auch aus Angst vor einem erheblichen Image-Schaden.

Hartmut Mehdorn, Deutsche Bahn AG: "Wir haben hier einen Selbstreinigungsprozess in die Wege geleitet und wir haben Ombudsleute installiert. Und wir werden gegen jeden Fall von Korruption ohne Ansehen auf die Person gründlich und hart vorgehen."

Der Bundesrechnungshof hat die aktuellen Korruptionsverfahren zum Anlass genommen, die Auftragsvergabe der Deutschen Bahn unter die Lupe zu nehmen. Der vertrauliche Bericht, der MONITOR vorliegt, weist der Bahn eine klare Mitverantwortung zu für die Korruption im eigenen Unternehmen. Präzise listet der Rechnungshof ein ganzes Sündenregister auf:

Bau-Aufträge ohne Ausschreibung, fehlerhafte Vergabeverfahren Umgehung des Wettbewerbs und Verstöße gegen Finanzierungsvereinbarungen


Prof. Dr. Ulrich Battis, Humboldt-Universität Berlin: "Dieser Bericht ist außerordentlich deutlich. Er verweist darauf, dass zwischen dem Nicht-Einhalten der Ausschreibungsregeln und der Korruption ein enger Zusammenhang besteht. Das leuchtet auch ein, denn Ausschreibungen dienen zum einen der Verwirklichung des Grundsatzes der Sparsamkeit, der Wirtschaftlichkeit. Und sie sollen für Transparenz sorgen. Und Korruption ist das Gegenteil von Transparenz und das Gegenteil von Sparsamkeit, weil hier zusätzliche Mittel vergeudet werden."

Reporter: "Wie bewerten Sie dann diesen Bericht vor dem Hintergrund der Anti-Korruptionsbemühungen der Bahn?"

Prof. Dr. Ulrich Battis, Humboldt-Universität Berlin: "Nun, dies ist wirklich ein Nackenschlag für die Bahn. Hier wird bescheinigt, dass sie ihre eigenen Hausaufgaben nicht anständig macht."

Wie der Nährboden für Korruption entsteht, kann man mitten im Berliner Regierungsviertel beobachten. Der Lehrter Bahnhof, DAS Prestige-Projekt der Deutschen Bahn. Die Hälfte der Baukosten, insgesamt über rund eine Milliarde Mark, wurde ohne jeglichen Wettbewerb über sogenannte Nachträge vergeben, die Seriosität der Angebote offenbar nie richtig geprüft -ein Einfallstor für Korruption, rügt der Bundesrechnungshof. Doch bei der Bahn bestreitet man diesen Zusammenhang schlichtweg.

Reporter: "Halten Sie die Kritik an Ihren Ausschreibungsverhalten für berechtigt?"

Margret Suckale, Justitiarin Deutsche Bahn: "Wir sprechen im Moment über das Thema Korruptionsbekämpfung und in dem Zusammenhang kann ich sie nicht nachvollziehen."

Reporter: "Weil Sie sagen, es gibt keinen Zusammenhang?"

Margret Suckale, Justitiarin Deutsche Bahn: "Weil es aus meiner Erfahrung kein Zusammenhang, keinen Zusammenhang gibt."

Kontrolliert werden sollten die Vergabeverfahren eigentlich durch das Verkehrsministerium, das die Baumaßnahmen im Bereich Schienenwegebau zur Zeit mit jährlich rund 4,4 Milliarden Euro finanziert. In seinem Bericht macht der Bundesrechnungshof deutlich, was er von den staatlichen Kontrollen hält. Zitat:

"Die Überwachung vergabe- und wettbewerbsrechtlicher Bestimmungen ... sieht der Bundesrechnungshof als nicht ausreichend an."

Doch Minister Bodewig lehnt eine weitergehende Kontrolle der Vergabeverfahren ab. Begründung: Die Bahn sei schließlich ein Privatunternehmen, die Auftragsvergaben fallen in die unternehmerische Verantwortung der DB AG. Er will die Kontrollen sogar einschränken, und dass obwohl es sich hier um Steuergelder in Milliardenhöhe handelt.

Korruption bei der Deutschen Bahn. Was Staatsanwälte und Bundesrechnungshof bisher ans Licht gebracht haben, geht alle an – spätestens bei der nächsten Fahrpreiserhöhung.



Links zum Thema:

Deutsche Bahn AG:
www.bahn.de/

Hartmut Mehdorn, Deutsche Bahn AG:
www.bahn-net.de/presse/vorstand/fs-c-o-v.htm

Prof. Dr. Ulrich Battis, Humboldt-Universität Berlin:
www.rewi.hu-berlin.de/Lehrstuehle/Battis/

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