Allgemein
Bahnausbau / Baustelle
Begriffe / Abkürzungen
Adressen / Links

A
Übersicht
(Aktuelle) Presseberichte
A
Berichte
2002
... Fall für die Justiz
Neuer Zeitplan für Bau ...
„... Rechtsbeugung“
Schmiergeldsumpf: ...
2001
Minister unterstützt Lärmschutz
Für mehr Lärmschutz ...
2000
„Tricksereien - Manipulationen“
Milliardengrab Deutsche Bahn
Der Umbau der Bahn
Wiesheus Trick verteuert Ausbau
ICE-Strecke teurer
Fahrplan für ICE-Ausbau
Der „innere Konflikt“ des EBA
Hat der Lärmschutz noch ...
Kosten contra Gesundheitsschutz

Dachauer SZ – Lokalausgabe der Süddeutschen Zeitung für den Landkreis Dachau, 31.07.2000



ICE-Trasse im Landkreis: Die Bürger und die Bahn ringen um mehr Lärmschutz

Der „innere Konflikt“ des Eisenbahnbundesamts
Vertreter der Bürgerinitiativen sprechen in Berlin mit dem Präsidenten des EBA, Horst Stuchly

Von Robert Probst

Landkreis Dachau/Berlin • Bis in den Reichstag in Berlin haben es die Bürgerinitiativen für einen besseren Lärmschutz entlang der ICE-Trasse nun schon geschafft. Vor kurzem fand in einem der vielen Zimmer in dem geschichtsträchtigen Bau ein beinahe „historisches“ Treffen statt. Erstmals stellte sich der Präsident des Eisenbahnbundesamts (EBA), Horst Stuchly, Vertretern der Vereinigten Bürgerinitiativen (VBI) zu einem Gespräch. Stuchly, dessen Behörde für die Planfeststellung der Vorhaben der Deutschen Bahn AG zuständig ist, hatte bislang mit dem Hinweis auf die strikte Neutralitätspflicht seiner Behörde jeden Gesprächswunsch kategorisch abgelehnt.

----Bei der mehrstündigen intensiven Diskussion, die auf Anregung der SPD-Bundestagsabgeordneten Uta Tietze-Stecher und des Grünen-Abgeordneten Albert Schmidt zustande gekommen war, stellten die Vertreter der VBI, Hansjörg Lassen aus Karlsfeld, Sebo Reich aus München und Lärmgutachter Gerhard Steger jedoch schnell fest, dass ihre Hoffnungen, die sie auf die Behörde gesetzt haben, wohl kaum erfüllt werden dürften. Das EBA befindet sich nach Auskunft der Bürgerinitiativen nämlich in einem „inneren Konflikt“, der „optimalen Lärmschutz schon in der Planung erschwert“.

„Unhaltbarer Zustand“

----Das Eisenbahnbundesamt ist auch nach der Privatisierung der Bundesbahn die Aufsichtsbehörde für die nun zu 100 Prozent im Bundeseigentum befindliche Bahn AG geblieben. Einerseits muss das EBA als neutrale Aufsichtsbehörde die Planungen der Bahn – auch hinsichtlich des vorgeschriebenen Lärmschutzes – prüfen und genehmigen. Andererseits, so wurde bei dem Gespräch deutlich, ist das EBA auch für die Finanzierung von Bahnprojekten aus Bundesmitteln verantwortlich und muss die Kosten so niedrig wie möglich halten. Ein aus Sicht der Bürgerinitiative „unhaltbarer Zustand“.

----Die Bürgerinitiativen zwischen Petershausen und München-Obermenzing kämpfen seit mehreren Jahren für einen optimalen Lärmschutz an der Ausbaustrecke München-Ingolstadt. Ein „Jahrhundertbauwerk“, so war die Planung Anfang der 90-er Jahre, sollte eine schnelle Zugverbindung von Rom über München nach Berlin und in den Ostblock ermöglichen.

----Unter dem Stichwort „ICE-Trasse“ sollten die Fahrzeiten in die neue Haupstadt enorm verkürzt werden. Gegen viele Widerstände wurde der Neubau der Trasse durch hochsensible Naturflächen zwischen Ingolstadt und Nürnberg durchgesetzt; allerdings wurde dann 1999 der Neubau der Strecke durch Thüringen aus Geldmangel gestoppt. Von der Schnellverindung nach Berlin wird also zunächst nicht viel übrig bleiben – doch im Raum Petershausen sind die Baumaschinen bereits angerückt. Den Bürgerinitiativen bleibt somit nicht mehr viel Zeit. Die Planfeststellungsbeschlüsse für Dachau und Karlsfeld werden für Ende des Jahres [2000] erwartet.

----Die Deutsche Bahn AG als Bauherr der Strecke in Sachen Lärmschutz hat sich über Jahre hinweg völlig unnachgiebig gezeigt. Man erfülle die gesetzlichen Anforderungen, hieß es stereotyp bei allen Erörterungsterminen von Seiten der DB AG. Der Streit kreist um die beiden Wörter „aktiv“ und „passiv“. Vereinfacht ausgedrückt fordern die Bürger möglichst optimalen Lärmschutz mit Hilfe von Lärmschutzwänden und -wällen. Die DB AG dagegen will lieber kleinere Wände und vermehrt Maßnahmen an den Häusern („passiver Schallschutz“) durchführen. Dazu gehören unter anderem Schallschutzfenster. Die Bahn führt Kostengründe und interne Anweisungen des EBA an.

----Hier schließt sich der Kreis. Wie immer die Bürger argumentieren, sie befinden sich stets in der schlechteren Position. Die Bahn AG als marktwirtschaftliches Unternehmen verweist auf ihre finanziell prekäre Lage – selbst wenn die Forderungen der Bürger gemessen an den Gesamtkosten minimal sind. Dazu kommt die Furcht der Verantwortlichen, die privat vorfinanzierte Trasse werde ebenfalls wie der Knoten Berlin oder die Strecke Frankfurt-Köln eine Kostenexplosion erleben. Anzeichen dafür sind bereits gegeben: Die tunnelreiche Strecke in Franken soll bereits jetzt erheblich teurer kommen als prognostiziert. Die Deutsche Bahn als Unternehmen des Bundes verweist auf die Anweisungen des EBA und die Rechtsprechung des relativ bürgerunfreundlichen 11. Senats des Bundesverwaltungsgerichts. Im Zweifel urteile dieser Senat „weiterhin zu Gunsten der Sparpolitik der Bahn und nicht für die lärmgeplagten Bürger“, meint die VBI.

„Wir sind gefangen“

----Das EBA wiederum beruft sich bei seinen internen Schreiben auf Einzel-Urteile des Bundesverwaltungsgerichts. Besonders umstritten ist hier die Abwägung zwischen aktivem und passivem Lärmschutz (siehe Kasten unten). Hier stützt das relativ unkonkrete Bundesimmissionsschutzgesetz die Haltung der DB AG. Kommentar eines BI-Sprechers: „wir sind gefangen“.

----In diesem „Teufelskreis“ sehen die Anwohner an der Bahnstrecke nur noch einen Ausweg: Die Politiker „sind gefordert, die Aufgaben des EBA schnellstmöglich widerspruchsfrei zu definieren“. Die Vertreter der Bürgerinitiativen setzen dabei auf die Unterstützung aller Parteien – und wenn sie dafür noch öfter nach Berlin fahren müssen.



Die Bahn berechnet „ihren“ Lärm selbst

Mit diversen Methoden weigert sich die Bahn, fünf Meter hohe Wände zu bauen

Die Formulierung in der 16. Bundesimmissionsschutzverordnung ist eigentlich recht deutlich: „Zum Schutz der Nachbarschaft vor schädlichen Umwelteinwirkungen durchVerkehrsgeräusche ist sicherzustellen, dass der Beurteilungspegel folgende Immissionsgrenzwerte nicht überschreitet“. Für Wohngebiete wären das etwa 59 Dezibel am Tag und 49 Dezibel in der Nacht. Doch nun folgt das „eigentlich“:

1) Der Bahnlärm wird nicht gemessen, sondern berechnet und zwar aus Durchschnittswerten. Spitzenpegel von mehr als 120 Dezibel, also der Lärm, den der Mensch tatsächlich beim Vorbeifahren eines Zuges hört, werden nicht herangezogen. Und: Die Bahn gibt mit ihrer Prognose der Streckenauslastung für 2010 vor, aus welchen Zugarten, Längen und Geschwindigkeiten die Lärmdaten ermittelt werden.

2) Der Gesetzgeber sprcht Schienenverkehrslärm im Vergleich mit Straßenverkehrslärm „geringere Lästigkeit“ zu; von den Beurteilungspegeln darf die Bahn einen rechnerischen Abschlag von fünf Dezibel vornehmen. Vom Lärm, den man hört, werden also fünf Dezibel abgezogen, noch ehe die Berechnung der Grenzwerte überhaupt begonnen hat. Einige Experten bezweifeln jedoch diese „geringere Lästigkeit“, vor allem auf Strecken, wie etwa im Landkreis, durch den täglich mehr als 400 Züge fahren sollen.

3) Das Eisenbahnbundesamt (EBA) hat inzwischen das „Besonders überwachte Gleis“ (BüG) anerkannt. Die Deutsche BAhn AG darf – nachdem sie sich verpflichtet hat, Unregelmäßigkeiten der Schienen in regelmäßigen Abständen zu beseitigen – einen weiteren Abschlag in Höhe von drei Dezibel vornehmen. Argument der Bahn: Durch gewartete und glatte Schienen würde der Lärm erheblich reduziert, praktisch Lärmschutz an der Quelle ausgeübt. Manche Experten halten die Lärmminderung durch Gleispflege für nicht nachgewiesen oder gar unmöglich. Das Umweltbundesamt empfiehlt lediglich einen Abschlag von zwei Dezibel.

4) Die DB AG orientiert sich an einer Empfehlung des EBA, die besonders umstritten ist. Aufgrund einer Einzelentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts werden Lärmschutzwände nur noch erhöht, wenn die Kosten für die Erhöhung der Wand die Einsparungen bei den passiven Maßnahmen (Lärmschutzfenster, Lüfter) das Verhältnis 4:1 nicht überschreiten. Darüber hinaus gehende Kosten sieht die Bahn als „unverhältnismäßige wirtschaftliche Belastung“ in Bezug auf den angestrebten Schutzzweck an. Mit Verweis auf diese interne Leitlinie weigert sich die Bahn entlang der Ausbaustrecke, Lärmschutzwände mit einer Höhe von fünf Metern zu bauen. Die Erhöhung vorgesehener Wände von etwa 3,5 Meter auf fünf Meter bringe kaum zusätzlichen Lärmschutz. Zudem sei die Ersparnis an Lärmschutzfenstern und Lüftern für Wohnungen, die durch die erhöhte Wand nun keinen Anspruch auf passiven Schutz mehr haben, außerhalb der Verhältnismäßigkeit.

rop
Impressum
nach oben