Bahn-Lärm: Oft lauter als gedacht
Messkampagne an 365 Messorten in ganz Deutschland zeigt: Lärmminderung
am Schienennetz reicht oft nicht aus
Eine langjährige Messkampagne des Umweltbundesamtes
(UBA), bei der etwa 13.000 Zugvorbeifahrten gemessen wurden, belegt:
Häufig ist die Bahn lauter als berechnet. Die Ergebnisse
der Messungen, an denen auch Forschungsunternehmen, Landesumweltämter
und Landesanstalten beteiligt waren, zeigen: Die Differenzen zwischen
Theorie und Wirklichkeit der Geräuschentwicklung von Zügen
können bis zu 3 Dezibel dB (A) betragen – das kommt
in der Lärmwirkung einer Verdoppelung der Zahl der vorbeifahrenden
Züge gleich. Gründe dafür liegen vor allem in den
Gleisarten sowie bei den Bremssystemen der Züge. Leidtragende
sind Anwohnerinnen und Anwohner an Bahnstrecken. Sie sind höheren
Lärmbelästigungen ausgesetzt, weil die Lärmschutzeinrichtungen
– zum Beispiel Wälle oder Wände – auf die
errechnete Lärmentwicklung ausgelegt sind.
Der Lärm, den Züge verursachen, wird mit vorgeschriebenen
Berechnungsverfahren ermittelt. Es gibt jedoch eine Reihe erheblicher
Abweichungen zwischen der berechneten und der tatsächlich
gemessenen Geräuschentwicklung der vorbeifahrenden Züge.
Bisher galt zum Beispiel: Alle Züge, die auf Holzschwellengleisen
fahren, sind um 2 dB(A) leiser als auf Betonschwellengleisen.
Für Züge mit Graugussklotzbremsen trifft das aber nicht
zu, wie das UBA feststellte. Sie sind hier sogar um 1 bis 2 dB(A)
lauter als auf Betonschwellen.
Für Hochgeschwindigkeitsstrecken gibt es die besondere Gleisart
„Feste Fahrbahn“. Hier ist ein Zug um rund 3 dB(A)
lauter als auf einem Betonschwellengleis. Diese höhere Geräuschentwicklung
versucht man durch Montage von Absorbern auf die „Feste
Fahrbahn“ vollständig zu kompensieren.
Ohne Absorber sind Güter- und auch Intercityzüge (IC)
jedoch nicht 3 dB(A) – wie bisher angenommen - sondern 4
dB(A) lauter. Und: Die Absorber bewirken bei diesen Zugarten lediglich
eine Geräuschminderung von 2 dB(A) statt der erwarteten 3
dB(A); damit ergibt sich immer noch eine höhere Lärmentwicklung
von etwa 2 dB(A).
Die ist gravierend, denn: Leider zeigt sich, dass beim ICE 1 und
ICE 2 die Wirkung von Schallschutzwänden nicht so hoch ausfällt,
wie berechnet wird. Die Folge: Trotz Schallschutzwänden sind
Anlieger an diesen Strecken unzureichend vor Lärm geschützt.
Gleis-Schleifverfahren bringen sehr unterschiedlichen Erfolg.
Das „Oberbauschleifen“ der Gleise, das meist der Betriebssicherheit
dient, bringt bei Zügen mit Graugussklotz-gebremsten Wagen
mit nur 1,5 dB(A) wenig Geräuschreduzierung. Scheibengebremste
Züge erreichen hingegen eine Pegelminderung von 3 bis 4 dB(A).
Um die Vorgaben der Berechnungsverfahren hier einzuhalten, müssten
im Mittel alle neun Jahre die Gleise geschliffen werden.
Das aufwändigere „akustische Schleifen“ –
Bestandteil der Lärmminderungsmaßnahme „Besonders
überwachte Gleis“ – reduziert bei scheibengebremsten
Zügen die Geräuschentwicklung um 6 bis 7 dB(A). Bei
Zügen mit Graugussklotzbremsen aber ergibt sich durch diese
Schleiftechnik auch hier nur eine Verbesserung von 1,5 dB(A).
Um den Zielwert für das „Besonders überwachte
Gleis“ einzuhalten, müsste – über alle Züge
gemittelt – alle zwei Jahre „akustisch“ geschliffen
werden.
Das UBA empfiehlt daher, dass die Erkenntnisse der Messkampagne
in geeigneter Weise schnell umgesetzt werden. Nur so ist sicherzustellen,
dass betroffene Anlieger in jedem Fall den erforderlichen Schallschutz
bekommen.
Das UBA unterstützt zudem die Forderung nach einem zügigen,
europaweiten Ersatz der Graugussklotz-Bremsen. Es setzt sich weiterhin
dafür ein, die Lärmbelastung der Anlieger von Eisenbahnstrecken
durch regelmäßiges Schleifen der Gleise zu reduzieren.
Die vier Bände sind in der Reihe TEXTE des Umweltbundesamtes
als Nr. 58/03 bis 61/03 erschienen, kosten je Band 7,50 Euro und
können über Werbung und Vertrieb, Wolframstraße
95-96, 12105 Berlin, Telefon 030/2 11 60 61, Fax: 030/2 18 13
79, e-Mail: berlin@wundv.com,
bestellt werden.
Die vier Bände haben folgende Titel: UBA-Text 58/03: „Bestimmung
der Einfü-gungsdämpfung einer Schallschutzwand anhand
von Messungen in derselben Messebene“; UBA-Text 59/03: „Abschirmung
von Schallschutzwänden bei Hochgeschwindigkeitszügen“;
UBA-Text 60/03: „Weiterentwicklung der Prognoseverfahren
der Verkehrslärmschutzverordnung (16. BImSchV), Bericht:
Das besonders überwachte Gleis (BüG), nichtabsorbierende
und absorbierende Feste Fahrbahnen“; UBA-Text 61/03: „Geräuschemissionen
von Eisenbahnen“.
Kurzfassungen sind auf der Internetseite des UBA unter der Adresse
veröffentlicht: http://www.umweltbundesamt.de/laermprobleme/hauptlaermquellen/schienenlaerm.html.
Berlin, den 02.02.04