Kurzfassung des Revisionsantrags

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Grundsatzrügen


1. Grundsätzliche Bedeutung wegen der Maßnahme „besonders überwachtes Gleis“ (BüG)
Fragen zur erreichbaren Pegelminderung
  • Unter welchen Voraussetzungen kann bei der Prüfung eines dauerhaften Nachweises der Lärmminderung aufgrund besonderer Vorkehrungen im Sinne der amtlichen Anmerkung zur Tabelle C der Anlage 2 zu § 3 der 16. BImSchV eine bestimmte Zugart unberücksichtigt bleiben ?

  • Erfordert der dauerhafte Nachweis der Lärmminderung aufgrund besonderer Vorkehrungen im Sinne der amtlichen Anmerkung zur Tabelle C der Anlage 2 zur 16. BImSchV den Nachweis, dass der durch das Schienenschleifen einhergehende Lärmminderungseffekt auch bei Berücksichtigung der planfestgestellten Lärmschutzwände noch vorhanden ist ?

  • Erlaubt es die amtliche Anmerkung zu Tabelle C der Anlage 2 zu § 3 der 16. BImSchV, Lärmminderungen, die durch das Befahren von Schienen nach dem Schleifvorgang und nicht unmittelbar durch das Schienenschleifen entstehen, beim Nachweis einer dauerhaften Lärmminderung zu berücksichtigen ?

  • Erlaubt es die amtliche Anmerkung zu Tabelle C der Anlage 2 zu § 3 der 16. BImSchV, eine Mittelwertbildung zwischen den Lärmpegeln vor und nach dem Schleifvorgang linear vorzunehmen, obwohl nach den lärmphysikalischen Gesetzen die Pegelminderung logarithmisch erfolgt ?

  • Welche Anforderungen stellt die amtliche Anmerkung zur Tabelle C der Anlage 2 zu § 3 16. BImSchV an das Kontrollmessverfahren, mit dem die Erforderlichkeit, die Schienen wieder zu schleifen, ermittelt wird ?

  • Lässt es die Verpflichtung einer dauerhaften Lärmminderung in der amtlichen Anmerkung zur Tabelle C der Anlage 2 zu § 3 der 16. BImSchV oder die Verpflichtung in § 41 Abs. 1 BImSchG, sicherzustellen, dass keine schädlichen Umwelteinwirkungen entstehen, zu, die Schallkontrollmessungen zugarten- und streckenparameterunabhängig vorzunehmen ?
Die oben gestellten Fragen sind für den Nachweis des Gleispflegeabschlages entscheidungserheblich.
Abhängig von der Beantwortung der Fragen ist der dauerhafte Lärmminderungsnachweis des Schienenschleifens im Sinne der amtlichen Anmerkung zur Tabelle C der Anlage 2 zur 16. BImSchV geführt oder nicht geführt. Die sich ergebenden Lärmpegel würden sich, abhängig von der Beantwortung der Fragen, um bis zu 3 dB(A) erhöhen.

Sicherstellen des Lärmschutzes durch Grenzwerte

Der Gesetzgeber ist gehalten, durch Sicherheitsmargen sicherzustellen, dass der errechnete Beurteilungspegel nicht niedriger ist als der tatsächlich beim Betrieb der Anlage entstehende Beurteilungspegel. Dies hat das BVerwG mehrfach entschieden.
Dieses System von Sicherheitsmargen und konservativen Annahmen beim Berechnungsverfahren von Lärmgrenzwerten wird bei der Anwendung des BüG zum einen dadurch verlassen, dass die Abhängigkeit der Wirkung des BüG von der Zugart nicht stringent behandelt wird und zum anderen dadurch, dass die Wirksamkeit der Maßnahme beim gleichzeitigen Vorhandensein von Lärmschutzwänden nicht nachgewiesen ist. Ferner ist auch die Überwachung und dauerhafte Einhaltung der Pegelminderung des BüG nicht gewährleistet.

Abhängigkeit von der Zugart

Die Berücksichtigung der Fahrzeugart im Parameter Fahrbahnart DFb war aus der Sicht des damaligen Verordnungsgebers nicht erforderlich und auch gar nicht möglich, da nach damaligem Kenntnisstand eine derartige Abhängigkeit nicht auftrat.
Die Erkenntnis, dass der Korrekturwert DFb zugartenabhängig ist, ergab sich vielmehr erst durch die jüngsten Untersuchungen im Zusammenhang mit dem BüG. Diese zeigten auf, dass der Lärmminderungseffekt des akustischen Schienenschleifens von der Zugart abhängig ist.

Legt man den Korrekturwert DBüG fahrzeugunabhängig fest, obwohl die Untersuchungen ergeben haben, dass die Fahrzeugabhängigkeit bis zu 3 dB(A) beträgt, sind Pegeländerungen in der Größenordnung von 2 bis 3 dB(A) denkbar.

Verminderte Wirkung des BüG hinter Lärmschutzwänden

Der Grund dafür, dass das BüG beim Vorhandensein von Lärmschutzwänden nicht voll wirksam ist, liegt in der vertikalen Verteilung der Teilgeräuschquellen an der Geräuschquelle „Eisenbahn“. Der höchste Geräuschpegel entsteht zweifelsohne an der tiefsten Stelle des Systems, nämlich am Rad-Schiene-Kontakt. Eine weitere maßgebliche Lärmquelle sind, insbesondere bei Güterzügen, die großen schallabstrahlenden Oberflächen der Wagenaufbauten in mittlerer Höhe (ca. 2 m über Schienenoberkante). Schließlich sind auch hochliegende Geräuschquellen durch Wagenaufbauten und Stromabnehmer bekannt. Zur Illustration des Zusammenwirkens dieser Geräuschquellen wurden Pegelwerte im Sinne von Immissionspegeln eingesetzt, wie sie in etwa auch in der Natur auftreten können.

Nimmt man an, daß das Besonders überwachte Gleis ohne Lärmschutzwand im Vergleich zum gewöhnlichen Gleis eine Minderung des Imissionspegels von 3 dB(A) erbringt, so folgt aus der Beispielrechnung:
Die Wirkung des BüG auf den Gesamtpegel hat nun bei Vorhandensein der Lärmschutzwand von vorher 3 dB(A) auf nunmehr nur noch 1,8 dB(A) (also um 1,2 dB(A)) abgenommen.
Es ist auch denkbar, dass das BüG außerhalb einer Lärmschutzwand nahezu keine Wirkung mehr hat.
Diese Wechselwirkung zwischen den Lärmschutzmaßnahmen BüG und Lärmschutzwand muß auch als Wechselwirkung der entsprechenden rechnerischen Korrekturwerte berücksichtigt werden. Dazu verpflichtet auch die 16. BImSchV.
Dies geschieht dadurch, dass die Korrekturfaktoren, die wegen des Einflusses anderer Korrekturwerte ihre Wirkung verlieren, in der Höhe, in der ihre Wirkung nicht mehr nachgewiesen ist, wieder abzuziehen sind.

Genau dies haben wir umgesetzt, wenn wir in der Klagebegründung gefordert haben, den nachfolgenden Algorithmus bei Berücksichtigung des Korrekturwerts DBüG wie folgt zu fassen:
DE = –10 × lg (3 + 60 × z × K) – DBM – DBüG < = 0

Mittelwert, Grundwert und Eingriffsschwelle

Nach Auflage A 1.3.3.1. des streitgegenständlichen Planfeststellungsbeschlusses sind mit dem Schallmesswagen Schallmessungen durchzuführen, um den Zustand der Schienenlaufflächen auf Riffelbildung zu prüfen und nachzuweisen, dass die Schallpegelreduktion in Höhe von 3 dB(A) „im Mittel“ eingehalten wird.

Völlig unklar ist, was mit „im Mittel“ gemeint ist.
Ebenso unklar ist, nach welchen Regeln der Mittelwert gebildet wird. Es ist darauf hinzuweisen, dass die Mittelwertbildung von Pegelmaßen nicht linear sondern logarithmisch erfolgt (s.g. Pegelmittelung). Entsprechend ist auch bei der Pegelmittelung der Zugarten verfahren worden.

Der logarithmische Pegelmittelwert einer Spanne von 45 dB(A) (niedrigster Wert nach dem Schleifen) und 51 dB(A) (Eingriffswert, bei dem wieder geschliffen werden soll) beträgt 49 dB(A) und nicht 48 dB(A).

Bereits auf Grund dieser einfachen Rechenarithmetik beträgt der Abschlag für das BüG nicht 3 dB(A), sondern nur 2 dB(A).
Zusätzlich zu diesem rechenarithmetischen Mangel führt diese Art der Mittelwertbildung nur scheinbar zu einem Mittelwert. Es besteht nämlich durchaus die Möglichkeit, dass ein Streckengleis über den Zustand der mittleren Verriffelung im Sinne des Grundwertes 51 dB(A) nicht hinauskommt und somit auf Werten von knapp unterhalb 51 dB(A) verharrt, ohne lauter zu werden.
Eine Pegelminderung von 3 dB(A) tritt an der Strecke dann nie ein, da ja nie geschliffen wird. Es handelt sich dann letztendlich um ein durchschnittlich verriffeltes Streckengleis im Sinne des Grundwertes 51 dB(A).
Ebenso ist der physikalische Zusammenhang zwischen dem Grundwert 48 dB(A) und der Eingriffschwelle 51 dB(A) im Schallmesswagen, der ein ICE-Wagen ist, unabhängig von der oben beschriebenen Mittelwertbildung kritisch zu hinterfragen.

Der Zusammenhang zwischen Grundwert LGD, Gesamtwert, Gleispflegeabschlag (GPA) und Anzeigewert im Schallmesswagen ist in Abschn. II.2.d auf S. 32 der Anlage 1a zur Verfügung des EBA vom 16.03.1998 beschrieben.

Danach entspricht der im Schallmesswagen bei einer Messfahrt auf der Fahrbahn „Betonschwelle im Schotter“ (auf anderen Fahrbahnen wurden keine Messungen durchgeführt) angezeigte Nullwert einem Außenpegel (gemeint ist wohl Grundwert LGD) von 48 dB(A) (bzw. Gesamtwert 51 + 2 – 3 = 50 dB(A))
Der Anzeigewert 0 dB im Schallmesswagen entspricht somit einem GPA von –3 dB(A) auf der Fahrbahn Betonschwelle im Schotter, also einem Gesamtwert nach Tab.3 S.19 von 51 + 2 – 3 = 50 dB(A). Um im Mittel über alle Zugarten gemäß Abschn. II.2.b.bb einen GPA von –4 dB(A) nach Tab. 1 bzw. mit Einberechnung der Unsicherheit von 1 dB(A) einen GPA von –3 dB(A) zu erreichen, müssen nach Tab. 1 ICE-Züge einen Grundwert von 45 dB(A) bzw. einen GPA von –6 dB erreichen um die schlechteren Werte der anderen Zugarten auszugleichen.

Um also im Mittel über alle Zugarten (vorausgesetzt man akzeptiert die technisch-physikalisch unsinnige zugartenunabhängige Festlegung des BüG) eine Minderung an der Strecke durch das BüG von 3 dB(A) zu garantieren, muss am Schallmesswagen, der ein ICE-Wagen ist, ein Wert von 45 dB(A) bzw. –3 dB und nicht 48 dB(A) bzw. 0 dB angezeigt werden (beim Holzschwellengleis 2 dB weniger und bei der festen Fahrbahn 3 dB mehr).
Wird dieser Wert überschritten, muss neu geschliffen werden, um die Pegelminderung dauerhaft aufrechtzuerhalten.

Ein weiteres Problem entsteht dadurch, dass eine Strecke in der Regel aus zwei Richtungsgleisen besteht.
Das Verfahren BüG wird definitionsgemäß für jedes Gleis getrennt angewendet.
Es werden somit die Verriffelungen der beiden Richtungsgleise nie das selbe Niveau haben und es werden deshalb die Gleise in der Regel auch nicht zeitgleich geschliffen.
Um sicherzustellen, dass neben der Strecke ein GPA von mindesten –3 dB(A) eintritt, darf der GPA auf keinem der beiden Richtungsgleise weniger als –3 dB(A) werden.

Auch aus diesem Grund verbietet die Anforderung der dauerhaft sichergestellten Pegelminderung eine Überschreitung des GPA von –3 dB(A) und damit die Mittelung zwischen –6 dB(A) und 0 dB(A).



2. Grundsätzliche Bedeutung wegen Nichtbeachtung von Spitzenpegeln und Zulässigkeit des Schienenbonus während der Nachtzeit
Fragen zum Spitzenpegel und zum Schienenbonus
  • Ist es zulässig bei der Beurteilung von Verkehrsgeräuschimmissionen im Rahmen der Anwendung der §§ 41 ff. BImSchG Spitzenpegel unberücksichtigt zu lassen, wenn aufgrund des vorhandenen Erkenntnisstands über Lärmwirkungen die Möglichkeit besteht, dass insbesondere durch Vorbeifahrtspitzenpegel innerhalb von Schlafräumen gesundheitliche Beeinträchtigungen verursacht werden können ?

  • Ist bzw. unter welchen Voraussetzungen ist bei Berücksichtigung von Spitzenpegeln und der durch das Regelungssystem der 16. und 24. BImSchV erreichbaren Innenpegel der Schienenbonus von 5 dB(A) als Korrekturparameter S gemäß Anlage 2 zu § 3 der 16. BImSchV auf Grund der aktuellen Erkenntnislage im Jahr 2001 hinsichtlich physiologischer Lärmwirkungen noch mit der aus § 41 BImSchG folgenden Verpflichtung, sicherzustellen, dass keine schädlichen Umwelteinwirkungen entstehen, hilfsweise mit Art. 2 Abs. 2, 14 Abs. 1 GG vereinbar ?


Gesundheitsgefährdung / Eigentumsverletzung

Bei Berücksichtigung der Spitzenpegel ist zu erwarten, dass die Beschwerdeführer zu 1. und 2. gesundheitsgefährdenden Lärmwirkungen ausgesetzt sind. Dies führt zu einer Verletzung von Art. 2 Abs. 2 GG und Art. 14 Abs. 1 GG. Dieser Befund wird durch die Existenz des in der 16. BImSchV enthaltenen Schienenbonus weiter verschärft.

Der BayVGH geht davon aus, dass für die unter dem Gesundheitsaspekt entscheidenden Innenraumpegel nach dem derzeitigen Stand der Lärmwirkungsforschung Dauerpegel am Ohr des Schläfers in einem Bereich zwischen 30 dB(A) und 35 dB(A) und Pegelspitzen in einer Größenordnung von 40 dB(A) nicht überschritten werden sollten und folgt mit dieser Risikoeinschätzung der Rechtsprechung des BVerwG (Seite 29 der Entscheidungsgründe).
Sodann unterstellt der BayVGH, dass diese Werte im Rauminneren in Anwendung der 24. BImSchV auch ohne Berücksichtigung des Schienenbonus an allen Immissionsorten eingehalten werden.
Dem ist jedoch nicht so.
Ermittlung und Beurteilung von Verkehrsgeräuschimmissionen werden für die Außengeräuschsituation nach 16. BImSchV und für die Innengeräuschsituation aufbauend auf die 16. BImSchV nach der 24. BImSchV geregelt.

In diesem geschlossenen Regelungssystem ist der Zusammenhang zwischen Außengeräusch und Innengeräusch definiert.
Der in der 24. BImSchV definierte Grenzwert für Innengeräuschpegel beträgt für Schlafräume IGWInnen = 30 dB(A). Die Pegeldifferenz DLA-I zwischen dem außen einwirkenden Beurteilungspegel BP und dem innen zulässigen Innengeräuschpegel IGWInnen beträgt unabhängig von den Immissionsgrenzwerten außen in allen Gebieten DLA-I = BP – IGWInnen und somit im Wohnhaus des Beschwerdeführers zu 2. DLA-I = 64 – 30 = 34 dB. Der außen auftretende Beurteilungspegel vermindert sich somit aufgrund der nach 24. BImSchV am Wohnhaus erfolgten Schallschutzmaßnahmen beim Durchgang durch die schallgedämmte Hausfassade um 34 dB. Dies gilt sowohl für den Mittelungspegel, als auch für den Spitzenpegel.

Mit Hilfe der Berechnungsformeln in der 16. BImSchV i.V.m. Schall 03 können aus den Mittelungspegeln auch Vorbeifahrtspitzenpegel berechnet werden (siehe auch Möhler in ZfL, 37/1990 S. 35-40)

Am Wohnhaus des Beschwerdeführers zu 2. ergibt sich danach rein rechnerisch (schon bei Annahme einer durchschnittlichen Hauptabfuhrstrecke) nachts ein mittlerer (gemittelt über alle Zugvorbeifahrten) Spitzenpegel vor der Hausfassade von mindestens 87 = 64 + 5 + 18 dB(A) mit BüG und 90 dB(A) ohne BüG (jeweils ohne Schienenbonus)
Diese Pegelspitzen werden nun wie oben beschrieben beim Durchgang durch die schallgedämmte Hausfassade um 34 dB vermindert und betragen im Schlafraum dann mindestens 87 – 34 = 53 dB(A). Die im Hinblick auf den Gesundheitsschutz relevante Schwelle der Spitzengeräuschpegel von 40 dB(A) wird somit auch im Schutzbereich der 24. BImSchV erheblich um mindestens 13 dB(A) überschritten.

Nur am Rande sei angemerkt, dass die bislang vorliegenden Gutachten, auf denen der Schienenbonus beruht, sich mit der Frage der Gesundheitsgefährdung von Schienenlärm nicht beschäftigen. Es wird allein eine unterschiedliche „Lästigkeit“ im Vergleich zum Straßenverkehrslärm untersucht.

Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass durch die Erhöhung der Immissionspegel infolge der Nichtanerkennung des Schienenbonus sich die Anzahl der Lärmbetroffenen ändert und damit die Verhältnismäßigkeitsprüfung in § 41 Abs. 2 BImSchG eine andere Sachverhaltsgrundlage bekommt, die eine nochmalige Entscheidung des EBA erforderlich machen wird.

Bezüglich der Beschwerdeführerin zu 1. ist noch anzumerken, dass hier erstmals durch die Nichtanerkennung des Schienenbonus es wieder zu einer Überschreitung der Immissionsgrenze kommen würde. Aufgrund der dort vorhandenen Lärmschutzwandhöhen (bislang 2m) ist hier konkret auch unter Berücksichtigung der Entscheidungsstruktur des EBA eine Erhöhung der Lärmschutzwände zu erwarten.

Lärmfachlicher Meinungsstand zum Schienenbonus und zur Aussagekraft der aktuell vorliegenden Studien

Das BVerwG hat bis dato den Schienenbonus gemäß § 3 der 16. BImSchV dem Grundsatz nach anerkannt.

Die diesen Entscheidungen zugrunde liegenden Untersuchungen basieren ausschließlich auf Befragungen Lärmbetroffener.

Durch Befragungen kann jedoch die Gesundheitsgefährlichkeit von in der Nachtzeit auftretendem Lärm nicht ermittelt werden. Diese, nicht durch Interviews ermittelbaren Wirkungen belegen nunmehr Untersuchungen von Ising (Zum gegenwärtigen Erkenntnisstand der Lärmwirkungsforschung: Notwendigkeit eines Paradigmenwechsels in: Umweltmed Forsch Prax 6 (4) 181/189), wo ausgeführt wird, dass schon bei einem Außenlärmpegel von mehr als 65/55 dB(A) tags/nachts nach dem derzeitigen wissenschaftlichen Erkenntnisstand eine Zunahme des Risikos für Herzinfarkt um ca. 20 % zu befürchten sei. Gerade diese medizinisch-physiologische Wirkung ist bei der Interviewbefragung von Lärmbetroffenen in der Nachtzeit unberücksichtigt geblieben.

Diese Wirkung ist jedoch für die Anerkennung des Schienenbonus während der Nachtzeit von ausschlaggebender Bedeutung.

Bei der Prüfung, ob der Verordnungsgeber bei der Regelung der 16. und 24. BImSchV in Bezug auf Dauerschallpegel samt Schienenbonus und Spitzenpegel seinen Pflichten gerecht wird, ist zu prüfen, ob die gesetzliche Regelung in diesen Verordnungen § 41 BImSchG genügt. Entscheidend ist dabei, ob der Verordnungsgeber den Auftrag aus dem formellen Gesetz, sicherzustellen, dass keine schädlichen Umwelteinwirkungen entstehen, gerecht wird.

Diesem Auftrag wird der Verordnungsgeber nicht erst dann nicht gerecht, wenn der sichere Nachweis geführt ist, dass Lärmimmissionen die Gesundheit von Dritten schädigen. Eine Überschreitung der Verordnungsermächtigung ist vielmehr immer dann gegeben, wenn eine Gefährdung der Gesundheit nicht mehr ausgeschlossen werden kann. Eine andere Auslegung würde dazu führen, dass über § 43 BImSchG der Verordnungsgeber durch die inhaltliche Ausgestaltung eines unbestimmten Rechtsbegriffs diesem eine völlig andere Qualität gibt, und damit das Schutzniveau des BImSchG von der erheblichen Belästigung auf die nachgewiesene Gesundheitsschädigung anheben könnte (so ausdrücklich BVerwG, UPR 96, 344).



3. Grundsätzliche Bedeutung wegen sekundärem Luftschall
Frage zum sekundären Luftschall
  • Darf bzw. unter welchen Voraussetzungen darf bei der Beurteilung, ob der durch Erschütterungen erzeugte Luftschall (sogenannter sekundärer Luftschall) nachteilige Wirkungen auf Rechte anderer im Sinne von § 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG verursacht, der in § 3 der 16. BImSchV normierte Schienenbonus berücksichtigt werden ?
Der erkennende Senat des BayVGH führt zwar aus, dass die §§ 41 ff. BImSchG und die hierauf beruhenden 16. und 24. BImSchV nicht anwendbar seien. Die Zumutbarkeit des sekundären Luftschalls beurteile sich allein nach § 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG.

Gleichwohl ließ der BayVGH es jedoch unbeanstandet, bei der Anwendung des sekundären Luftschalls den in der 16. BImSchV für den primären Luftschall normierten Schienenbonus bei der Beurteilung der Zumutbarkeit zu berücksichtigen.
Es besteht Interesse an der Klärung, nach welchen Regeln und welchen Kriterien die Zumutbarkeit beim sekundären Luftschall zu beurteilen ist und ob der für den primären Luftschall normierte Schienenbonus auch auf den sekundären Luftschall übertragen werden kann, obwohl die Untersuchungen, auf denen der Schienenbonus im wesentlichen beruht, zeigen, dass für die Untersuchungsvariablen, die den Innenraum betreffen kein Bonus, sondern eher ein Malus gefunden wird.



4. Rechtsgrundsätzliche Bedeutung wegen Auslegung des § 41 Abs. 2 BImSchG
Fragen zur Auslegung des § 41 Abs. 2 BImSchG
  • Inwieweit gibt § 41 Abs. 2 BImSchG einen der gerichtlichen Überprüfung entzogenen Abwägungsspielraum, im Rahmen dessen Abwägungsfehler nach § 20 Abs. 7 Satz 1 AEG unschädlich sein können ?

  • In welchem Umfang kann bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Kosten der Schutzmaßnahme zum Schutzzweck im Rahmen des § 41 Abs. 2 BImSchG die Lärmvorbelastung schutzmindernd berücksichtigt werden ?

  • Erfordert die Verhältnismäßigkeitsprüfung im Rahmen des § 41 Abs. 2 BImSchG, die Kosten für den aktiven Lärmschutz, mit dem an allen Immissionsorten die Lärmgrenzwerte der 16. BImSchV eingehalten werden, mit den Kosten der Entschädigung (Außenwohnwertent-schädigung, passiver Lärmschutz), die ohne jeglichen aktiven Lärmschutz anfallen würden, in Beziehung zu setzen ?
Der erkennende Senat des BayVGH referiert auf Seite 38 seiner Entscheidungsgründe das Urteil des BVerwG vom 15.03.2000, wonach § 41 Abs. 2 BImSchG Teil des Abwägungsgebots sei und deshalb Abwägungsfehler § 20 Abs. 7 Satz 1 AEG unterlägen. Im Folgenden wird unter Hinweis auf die Entscheidung des BVerwG (BVerwGE 84, 31/39) ausgeführt, dass die Vorbelastung im Rahmen der Prüfung des § 41 Abs. 2 BImSchG schutzmindernd zu berücksichtigen sei.

Wäre § 41 Abs. 2 BImSchG keine Ausprägung des planerischen Abwägungsgebots, hätte das Gericht nicht, wie im vorliegenden Fall nach Abwägungsfehlern suchen müssen, sondern originär entscheiden müssen, ob der gewährte Lärmschutz mit der gesetzlich gebundenen Entscheidung des § 41 Abs. 2 BImSchG vereinbar ist und ggfls. auch über strittige Tatsache Beweis erheben müssen.

Der erkennende Senat am BayVGH hätte in diesem Fall nicht nur die äußersten Grenzen eines Abwägungsvorgangs kontrollieren, sondern eine eigene originäre Entscheidung über unbestimmte Rechtsbegriffe vornehmen müssen.

Auch die Bedeutung der Vorbelastung bei der Prüfung des § 41 Abs. 2 BImSchG ist für die Entscheidung der Lärmschutzansprüche streitentscheidend von Bedeutung gewesen, da sie in der Abwägung als tragender Abwägungsgesichtspunkt genannt wurde. Wäre die Vorbelastung nicht zu berücksichtigen, besteht kein Grund mehr, Grundstückseigentümer an Bestandsstrecken schlechter zu behandeln als Eigentümer an Neubaustrecken.

Rechtsprechung des BVerwG zur dogmatischen Einordnung des § 41 BImSchG

In höchstrichterlicher Rechtsprechung des BVerwG ist nach wie vor strittig, ob § 41 Abs. 2 BImSchG eine Ausprägung des fachplanungsrechtlichen Abwägungsgebots ist und damit nur eingeschränkt einer gerichtlichen Prüfung unterliegt oder striktes, das Abwägungsgebot strukturierendes Recht darstellt, welches von den Verwaltungsgerichten vollständig überprüft wird.

Rechtslage zur Bedeutung der Vorbelastung

Vor Inkrafttreten des § 41 Abs. 2 BImSchG hatte beim Ausbau von Eisenbahnstrecken die Vorbelastung im Rahmen der Kausalitätsbetrachtung in § 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG Bedeutung.

Dem gegenüber statuiert § 41 Abs. 1 BImSchG die Verpflichtung, unabhängig von der Existenz von Vorbelastungen, beim Bau oder der wesentlichen Änderung von öffentlichen Straßen oder Eisenbahnen sicherzustellen, dass durch diese keine schädlichen Umwelteinwirkungen hervorgerufen werden können. Damit schreibt diese Vorschrift vor, schädliche Umwelteinwirkungen zu vermeiden. Im Sinne von § 41 Abs. 1 BImSchG können schädliche Umwelteinwirkungen ausschließlich durch aktive Schutzmaßnahmen vermieden werden.

Das BImSchG kennt einen Schutzzweck; dieser ist in § 1 BImSchG definiert und grundsätzlich nicht von wirtschaftlichen Gesichtspunkten abhängig. Eine Differenzierung des Schutzzweckes nach Vorbelastungen ist dem Gesetz fremd. Im Gegenteil, wollte der Gesetzgeber (im Gegensatz zu § 74 Abs. 2 VwVfG, jedoch hier im Rahmen der Prüfung der Kausalität einer Lärmbelastung) uneingeschränkten Lärmschutz leisten, sobald eine wesentliche Änderung eines öffentlichen Verkehrswegs vorliegt. Wenn der Gesetzgeber jedoch auch beim Vorliegen einer wesentlichen Änderung die Anwendbarkeit des § 41 Abs. 1 BImSchG gerade fordert und bei der wesentlichen Änderung einer bestehenden öffentlichen Verkehrsanlage eine Vorbelastung kraft Sachlogik vorhanden ist, ist offensichtlich, dass eine bestehende Vorbelastung für den Anspruch nach § 41 Abs. 1 BImSchG unbeachtlich sein muss.

Diese gesetzgeberische Entscheidung würde auf den Kopf gestellt, wenn durch richterliche Interpretation die Vorbelastung über § 41 Abs. 2 BImSchG dazu führen würde, dass § 41 Abs. 1 BImSchG nicht mehr gilt. Wollte man anders entscheiden, würde das gesamte aus § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 und Satz 2 der 16. BImSchV folgende Normsystem, welches gerade bei der Erweiterung eines Schienenwegs um ein oder mehrere Gleise die Vorbelastung für die Geltung des § 41 Abs. 1 BImSchG unbeachtlich wissen wollte, seine Konturen verlieren und über die ”interpretatorische Hintertür” ein Ergebnis erreichen, das der alten Rechtslage nach § 74 VwVfG angenähert ist. Einen derartigen gesetzgeberischen Willen kann man jedoch nicht unterstellen, da in diesem Fall es der Gesetzgeber bei der alten gesetzlichen Situation hätte belassen können.

Rechtsprechung zur Verhältnismäßigkeitsprüfung gemäß § 41 Abs. 2 BImSchG

Offen geblieben in der Rechtsprechung des BVerwG ist bislang, wann eine optimale Schutzanlage unverhältnismäßig ist. Diese Frage muss jedoch primär beantwortet werden, da erst dann nach der Rechtsprechung des BVerwG die Berechtigung besteht, durch schrittweise Abschläge den gerade noch verhältnismäßigen Aufwand zu ermitteln.


Verfahrensrügen


1. Verfahrensrüge wegen Gesundheitsgefährdung
Nach Ansicht des BayVGH ist eine Verletzung von Art. 2 Abs. 2 GG durch Innenraumpegel nicht denkbar, da die 24. BImSchV sicherstelle, dass Spitzenpegel von mehr als 40 dB(A) im Rauminneren (ohne Berücksichtigung des Schienenbonus) nicht auftreten (vgl. Seite 29 der Entscheidungsgründe).

Den schriftsätzlich gestellten Beweisanträgen zu den auftretenden Spitzeninnenraumpegeln sowie der bestehenden Gesundheitsgefährdung bzw. des bestehenden Gesundheitsgefährdungspotentials bei Dauerschallpegeln von 55 dB(A) ist das Gericht nicht nachgegangen, sondern hat sie zurückgewiesen.
Damit hat das Gericht die im Zusammenhang mit der Anerkennung des Schienenbonus für erheblich erkannten Tatsachen nicht ausreichend aufgeklärt und einen Verfahrensfehler nach § 86 Abs. 1 VwGO begangen.



2. Verfahrensrüge wegen Verstoß gegen Denk- und Naturgesetze
Der BayVGH stellt fest, dass durch den Schleifvorgang eine maximale Pegelminderung von 6,2 dB(A) erreichbar ist (vgl. hierzu Ziffer 1.2.1. dieses Schriftsatzes). Hieraus bildet das Gericht einen Mittelwert, in dem es die maximale Pegelminderung halbiert.
Unter Berücksichtigung der geltenden Naturgesetze kann die Pegelmittelung nicht linear durchgeführt werden. Erforderlich ist, sie logarithmisch vorzunehmen.

Damit hat das Gericht einen Verfahrensfehler nach § 108 Abs. 1 VwGO (Verletzung des Grundsatzes der freien Beweiswürdigung) begangen.


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